Kaum ein Thema wird in der Hundewelt so kontrovers diskutiert wie die Kastration. Wir erklären, was bei einer Kastration passiert, in welchen Fällen sie sinnvoll ist und warum die Entscheidung gut überlegt sein sollte. 

Halter:innen junger Hunde hören sie mit Sicherheit irgendwann im Laufe des ersten Lebensjahres ihres Tiers: die Frage nach einer Kastration. “Und, ist deiner schon kastriert?” Es entsteht der Eindruck, es handele sich um einen Routineeingriff. Dabei hat die Operation weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung und sollte deshalb nur in begründeten Fällen vorgenommen werden.

Rechtliche Grundlage

Das deutsche Tierschutzgesetz legt in § 6 Abs. 1 fest, dass das “vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres” verboten ist.

Jedoch gilt das Verbot nicht, wenn “der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a) bzw. zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres eine Unfruchtbarmachung vorgenommen wird”. (§ 6 Abs. 1 Nr. 5) Das Gesetz besagt also, dass Hunde nicht ohne medizinische Notwendigkeit kastriert werden dürfen, außer zur Verhinderung einer unkontrollierten Fortpflanzung. Die OP sollte deshalb immer eine Einzelfallentscheidung sein und kann nicht pauschal empfohlen werden.

Was wird bei einer Kastration gemacht?

Eine Kastration kann der Tierärzt/die Tierärztin sowohl bei Rüden als auch bei Hündinnen durchführen. Die verbreitete Annahme, Hündinnen würden sterilisiert und Rüden kastriert, ist falsch. Kastration und Sterilisation sind unterschiedliche Operationen, die man bei beiden Geschlechtern durchführen kann.

Bei der Kastration werden die Keimdrüsen unter Vollnarkose entfernt. Sie produzieren die Geschlechtshormone des Tieres, Testosteron beim Rüden und Östrogen bei der Hündin. Die Keimdrüsen sitzen in den Hoden bzw. in den Eierstöcken, weshalb die Hoden oder Eierstöcke entfernt werden. Der Körper bildet danach fast keine Geschlechtshormone mehr. Lediglich einen kleinen Anteil produziert weiterhin die Nebennierenrinde. Das Sexualverhalten und der Sexualtrieb kastrierter Tiere ist unterbunden. Der Zyklus der Hündin findet nicht mehr statt, eine Fortpflanzung ist nicht mehr möglich.

Im Unterschied dazu werden bei der Sterilisation die Keimdrüsen belassen. Der Arzt/die Ärztin durchtrennt lediglich die Transportwege: Beim Rüden sind das die Samenleiter, bei der Hündin die Eileiter. Die Produktion der Geschlechtshormone und das Sexualverhalten bleiben bei einer Sterilisation erhalten, die Hunde sind jedoch unfruchtbar.

Krebsrisiko reduzieren

Einer der häufigsten Gründe für eine Kastration bei Hündinnen ist die Reduzierung des Krebsrisikos. Gesäugetumoren zählen bei ihnen unter den Krebserkrankungen zu den häufigsten Problemen. Eine Studie aus den 1960er Jahren kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko für eine Hündin, an einem Tumor in der Gesäugeleiste zu erkranken, durch eine frühe Kastration sinkt. Der Einfluss auf das Krebsrisiko sei am größten, wenn die Hündin vor der ersten Läufigkeit kastriert wird. Nach der zweiten Läufigkeit oder später beeinflusse es das Risiko nicht mehr signifikant.

Noch heute berufen sich viele auf die Ergebnisse dieser Studie und raten zur Frühkastration der Hündin. Und das, obwohl die Untersuchung zum einen inzwischen als veraltet gilt und vernachlässigt wird, dass ein operativer Eingriff mit Narkose im Junghundalter eine ganze Reihe anderer Risiken mit sich bringen kann. Zudem ist die prophylaktische Entfernung eines gesunden Organs tierschutzrelevant und verboten.

Auswirkungen auf das Verhalten

Eine Kastration kann kein Ersatz für die Erziehung sein. In einigen Fällen kann sie aus verhaltensbiologischer Sicht jedoch Sinn ergeben. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Operation nur eine Änderung von Verhalten bewirken kann, das mit den Sexualhormonen in Verbindung steht – erlernte Verhaltensweisen lassen sich dadurch nicht beeinflussen!

Dass kastrierte Rüden grundsätzlich verträglicher werden, ist ein Irrglaube. Zum einen werden erlernte Verhaltensweisen durch die Kastration nicht verändert. Zum anderen wird Aggressionsverhalten auch durch das Stresshormon Cortisol beeinflusst.

Wann ist ein Kastrationschip sinnvoll?

Wird bei einem Hund eine Testosteron-gesteuerte Aggression oder eine hormonell bedingte Hypersexualität vermutet oder gibt es aus verhaltensbiologischer Sicht andere Umstände, die für eine Kastration sprechen, sollte er zunächst chemisch kastriert werden. Die chemische Kastration imitiert die Wirkung vorübergehend. Sie erfolgt durch das Einsetzen des sogenannten Kastrationschips. Dieser unterbindet die Produktion der Geschlechtshormone für einen Zeitraum von 6 bzw. 12 Monaten. Nach dieser Zeit lässt die Wirkung des Chips nach.

Erfolgt eine positive Verhaltensänderung, kann eine chirurgische Kastration sinnvoll sein. Bleibt das Problemverhalten jedoch unverändert oder verändert es sich sogar ins Negative, ist davon abzuraten. Es ist dann wahrscheinlich nicht von den Geschlechtshormonen abhängig.

Die häufigsten Indikationen für eine Kastration

Hunde mit einem übersteigerten Sexualverhalten (Hypersexualität) erleben erheblichen Stress, den wir ihnen in der Regel mit einer Kastration nehmen können. Durch die Geschlechtshormone gesteuerte Aggressivität kann sich ebenfalls verbessern. Hund und Mensch profitieren davon.

Medizinische Gründe können eine Kastration ebenfalls erforderlich machen, zum Beispiel Hodentumoren, ein Hodenhochstand und Erkrankungen der Prostata. Bei erhöhtem Risiko für eine Entzündung der Gebärmutter ist die Kastration häufig das Mittel der Wahl. Auch wiederholt auftretende Scheinträchtigkeiten, die mit erheblichen Beschwerden für die Hündin einhergehen, können ein Grund sein.

  • Hypersexualität – übersteigertes Sexualverhalten
  • Aggressivität, die durch Sexualhormone bedingt ist
  • Geschwülste beim Hund (Hoden, Gesäuge, Perianal)
  • Prostataerkrankungen
  • Hodenhochstand/Kryptorchismus
  • Scheinträchtigkeiten, die mit deutlichen Beschwerden auftreten
  • Gebärmuttervereiterung
  • Verhinderung der Fortpflanzung
  • hormonell bedingte Haut- und Stoffwechselerkrankungen

In welchem Alter kastrieren?

Weil eine Kastration nicht als Pauschalbehandlung vorgenommen werden darf, gibt es auch keinen “richtigen” Zeitpunkt. Die Entscheidung für eine Kastration sollte immer auf Basis einer individuellen Betrachtung erfolgen.

Wann Hunde kastriert werden, ist wiederum aus medizinischer wie aus verhaltenstherapeutischer Sicht von erheblicher Bedeutung. Von einer Frühkastration spricht man, wenn sie vor Entwicklung der Geschlechtsreife vorgenommen wird. Bei Hündinnen ist das vor der ersten Läufigkeit zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat und bei Rüden in etwa dem gleichen Alter.

Mit einer Kastration greift man in das komplexe Hormonsystem des Hundes ein. Und dort lässt sich nicht an einer Stellschraube drehen, ohne dabei andere Abläufe zu beeinflussen. Werden kastrierten Hunden also frühzeitig die Sexualhormone genommen, hat das nicht nur Einfluss auf ihr Verhalten und ihre Reife, sondern auch auf das Längenwachstum, den Muskelaufbau und die Gesundheit der Knochen. Jede:r Junghundbesitzer:in weiß, welche Entwicklungssprünge sein Tier während der Pubertät Monat für Monat macht. Das Ende der Pubertät durch das Skalpell kann zur Folge haben, dass betroffene Hunde ein kindliches Wesen beibehalten.

Nachteile und Risiken

Jede Operation birgt gewisse Risiken – dessen solltest du dir grundsätzlich bewusst sein. Eine Kastration nimmt die Tierärztin/der Tierarzt unter Vollnarkose vor. Darüber hinaus besteht bei Hunden ein erhöhtes Risiko für:

  • Inkontinenz
  • Übergewicht durch fehlende Anpassung der Ernährung
  • Fellveränderungen
  • Verhaltensveränderungen (Angst, Aggressionen, Unsicherheit)