Foto: Sabine Wiencirz
Eine gefestigte Beziehung aufbauen
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Die wichtigste Frage, die sich Neuhundehalter stellen, ist: Wie baue ich eine gefestigte Beziehung auf, sodass mein Hund mit mir durch dick und dünn geht? Für Hundetrainer Uwe Friedrich basiert eine gute Hundeerziehung auf vier Säulen. Diese gibt dem Halter einen Rahmen mit auf den Weg, wie er an einer guten Mensch-Hund-Beziehung arbeiten kann.
Jetzt ist es soweit. Das neue Familienmitglied ist eingezogen. Was wünschen wir Halter uns da für die Zukunft? In erster Linie natürlich, dass sich der Welpe zu einem freundlichen Zeitgenossen entwickelt, der seiner Umwelt entspannt und friedlich gegenübertritt. Er sollte sich leicht erziehen lassen, folgsam sein und seine Menschen als Autorität respektieren. Die Rede ist also von einer optimalen Mensch-Hund-Beziehung. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Für Hundetrainer Uwe Friedrich, der in der Nähe von Stuttgart das Hundezentrum Teamcanin betreibt, stützt sich eine gute Hundeerziehung auf vier Säulen. Dabei betont er immer wieder, dass diese Säulen kein Erziehungskonzept sind, und auch keine Philosophie. Denn dadurch wäre man festgelegt. Friedrich ist es viel wichtiger, individuell auf den Hund beziehungsweise das Mensch-Hund-Team einzugehen. „Wie oft hören Hundehalter bei Problemen den Ratschlag ‚du musst an deiner Beziehung arbeiten‘“, erzählt Friedrich. „Damit kann niemand etwas anfangen. Und genau hier setzen die vier Säulen an. Sie sollen einen Rahmen geben, wie ich an der Beziehung zu meinem Hund arbeiten kann.“
1. Die Mensch-Hund-Beziehung
Sie ist die wichtigste der vier Säulen, die Basis. Doch die optimale Mensch-Hund-Beziehung entsteht nicht einfach so, sie entwickelt sich aus einem Trainingspaket aus diversen Auslastungsmodellen, aus dem richtigen Spiel, aus der Persönlichkeit des Hundehalters. Ein Hund, der seinem Menschen vertraut, lernt viel leichter und ist eher bereit, etwas für seinen Menschen zu tun. Das spielt auch bei der zweiten und dritten Säule, der Auslastung und der formellen Ausbildung, eine Rolle. Die einzelnen Säulen stehen also nicht nur für sich, sondern greifen auch ineinander über.
2. Auslastung
Hier geht es in erster Linie darum, dass die Bedürfnisse des Hundes befriedigt werden. Das ist wie bei uns Menschen: Uns geht es auch nicht gut, wenn uns langweilig ist oder wenn wir über- beziehungsweise unterfordert sind. Doch wann was eintritt, ist individuell vom Einzelnen abhängig. Das gilt auch für den Hund: Er soll körperlich und geistig adäquat gefördert werden. Was zu ihm passt, entscheiden Rasse und Charakter. Für Friedrich ist es wichtig, dass Mensch und Hund gemeinsame Hobbies haben, denn nur so kommt auch eine Kommunikation zwischen den beiden zustande: „Seinen menschlichen Partner lernt man auch besser kennen, wenn man Hobbies miteinander teilt. Das gilt auch für den Hund.“ Hier ist es am Halter zu entscheiden, welche Art der Auslastung für seinen Hund passt.
Nicht jeder Vierbeiner muss immer Vollgas geben, sei es beim Apportieren oder im Agility-Parcours. Im Gegenteil, für manche Hunde ist Entschleunigung mehr. „Natürlich soll man schnelle, wuselige Hunde in ihren Talenten fördern, aber man soll sie bitte nicht wahnsinnig machen“, plädiert Friedrich. Das geht schon im Welpenalter los. „Bei einem eher phlegmatischen Hund macht man mit Toben und Hüpfen nicht viel kaputt. Ein eher temperamentvoller Kandidat tut sich vielleicht mit Ruhe und Entspanntheit schwer. Hier könnte man mit ruhigen Sachen wie Nasenarbeit anfangen.“
Übung: Nasenarbeit
Friedrich selbst hat SniffleDog entwickelt, ein Schnüffelspiel, bei dem der Hund auf einen bestimmten Geruch konditioniert wird. Ziel ist es, dass der Hund später kleinste Mengen dieses Geruchs unter Behältern mit sechs verschiedenen Gerüchen herausfiltern kann. Er zeigt den Geruch an, indem er mit der Nase am Döschen bleibt. Alternativ kann man draußen auch ein Quadrat abstecken und auf diesem ein Golftee positionieren, dem der ankonditionierte Geruch anhaftet. Der Hund schnüffelt dann die Fläche ab und zeigt an, sobald er das Tee gefunden hat. „Das lässt sich prima mit Welpen trainieren. Bereits mit einem acht Wochen alten Hund kann ich mit der Sniffle-Vorarbeit beginnen. Dazu bringe ich dem Hund ruhiges Verhalten an der Hand bei. Dann nehme ich das Döschen mit dem Geruch hinzu und trainiere mit ihm das Anzeigen des Geruchs, beispielsweise durch Clickertraining. Dann kann ich auch schon das Quadratschnüffeln draußen üben.“ Doch nicht nur das.
Für den Welpen ist auch schon das Kennenlernen ganz normaler Umweltreize Auslastung – wichtig ist nur, dass das alles entspannt geschieht. „Ich kann auch einen gelben Sack irgendwo hinlegen und mich langsam mit dem Hund annähern. Oder ein Helfer setzt einen Motorradhelm auf, den ich dem Welpen dann zeige. Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten.“ Hier legt Friedrich den Welpenbesitzern auch ans Herz, dass unter Umständen ein Umdenken stattfinden muss. „Wenn man einen engagierten Hund hat, sollte man vorsichtig sein. Der Halter kann zum Beispiel das erste Jahr etwas ganz anderes üben, anstatt aus dem Hund einen Fachidioten zu machen. Erziehen Sie ihn stattdessen vielseitig. Dann kann man sic immer noch spezialisieren. Denn wer in die Bespaßungsfalle tappt, erreicht häufig das Gegenteil von dem, was er eigentlich möchte.“ Das hat Friedrich am Beispiel seiner „Schülerin“ Aennie selbst erlebt. Die ehrgeizige Golden Retriever-Hündin war schon als Welpe sehr lebhaft. Später machte sie mit ihrer Halterin Dummytraining in der Gruppe. Sie war mit großer Freude dabei, erledigte alles immer ein bisschen schneller als die anderen Hunde.
Als die verschiedenen Trainer das weiter vorangetrieben haben, schoss der Hund irgendwann über das Ziel hinaus. „Die Halterin konnte nicht mal mehr mit der Hündin spazieren gehen, ohne dass sie total überdreht hat. Aennie hat schon gezittert und stand unter Strom, als man nur mit ihr aus dem Auto ausgestiegen ist. An normales Gassi gehen war nicht mehr zu denken.“ Dann kam Aennie zu Uwe Friedrich. Insgesamt dauerte es gut ein Jahr, die Hündin auf ein derartiges Entspannungslevel zu bringen, dass sie ohne Stress und Hektik wieder apportieren konnte.