20 Jahre Tierschutzarbeit – eigentlich ein Jubiläum, auf das der Verein Tierhilfe Hoffnung stolz sein kann. Doch die Corona-Krise stellt den Verein mit seinem Tierheim Smeura, in dem rund 6.000 Hunde leben, vor größere Hürden als je zuvor. Vereinsleiter Matthias Schmidt hat uns erzählt, warum, und wie Tierfreunde jetzt helfen können. 

Das Interview führte Lena Schwarz am 24. März 2020

Matthias Schmidt, Leiter des Vereins Tierhilfe Hoffnung

Herr Schmidt, in der Smeura werden tausende Hunde versorgt, es kommen immer wieder neue an und andere werden zur Vermittlung nach Deutschland gebracht. Welche Herausforderungen müssen Sie aufgrund der Corona-Krise meistern?

Kastrationsmobile unterwegs

Ich glaube unsere größte Herausforderung ist es, auch künftig die für uns absolut lebenswichtigen Hunderettungstransporte nach Deutschland in unsere Partnertierheime umzusetzen. In Rumänien gibt es seit 2013 ein schreckliches Tötungsgesetz. Es besagt, dass sich kein Hund – ob kastriert oder nicht –auf den Straßen ohne Besitzer freilaufend aufhalten darf. Daher bringen städtische Hundefänger täglich Hunde in Tötungsstationen. Wir holen die Tiere nach Ablauf der 14-Tages-Frist dort raus. Bis 2013 kastrierten wir die Hunde und ließen sie wieder frei. Aber jetzt sind wir verpflichtet, die Tiere zu beherbergen.

Und weil wir nicht wollen, dass sie lebenslang in unserem Tierheim bleiben, bringen wir sie nach Deutschland. Können und dürfen wir das nicht mehr, können wir auch keine Hunde mehr aus den Tötungsstationen holen. Dort sterben sie auf brutale Weise.

Ist es momentan noch möglich, Hunde aus Rumänien nach Deutschland zu bringen?

Gestern [Montag, 23.3.20, Anm. der Redaktion] ist ein großer Hunderettungstransport hier in Deutschland angekommen. Die Fahrt war wider Erwarten gut, auch von den Grenzstaus und Kontrollen her. Aber die Kollegen haben auf dem Rückweg massive Probleme, vor allem durch Grenzstaus, Kontrollen und die neu geschaffenen Transitkorridore in Österreich und Ungarn. Fahrzeuge werden teils 5 oder sogar 10 Stunden an den Landesgrenzen aufgehalten. Sie bekommen grüne oder rote Aufkleber und müssen in so einem Transitkorridor mehr oder minder in einem Rutsch das Land durchfahren. Das soll gewährleisten, dass sie auch wirklich echte Transitreisende sind. Wir wollen uns massiv vom Nutztiertransport distanzieren und eben nicht diejenigen sein, die stundenlang an den Grenzen anstehen. Unsere Tiere sollen so zügig und komfortabel wie möglich nach Deutschland kommen. Und all das wird jetzt natürlich in dieser Corona-Krise zu wenig gegeben sein.

Wie sieht es mit einer anderen Form des Transports aus – Futterlieferungen?

Die Situation mit dem Futter schwierig – auch wenn der Warenverkehr momentan noch gewährleistet ist. Wir brauchen für 6.000 Hunde pro Tag 2,8 Tonnen Futter. Gerade haben wir wieder einen LKW mit Futter aus Deutschland losgeschickt, für dessen Ladung wir zwei Wochen lang gesammelt haben. Eine solche Lieferung umfasst in der Regel 20 Tonnen. Das sind 33 Paletten, was ungefähr eine Woche reicht. Größere Vorräte anzulegen und so für längere Zeit gewappnet zu sein ist logistisch und hauptsächlich finanziell aber ein Ding der Unmöglichkeit. Wir bestellen auch bei einer Futtermittelfirma in Rumänien, wenn hier in Deutschland der Spendenfluss dünner ist.

Tierpfleger fahren mit Schubkarren zur Fütterung

Aber die Ressourcen in Rumänien sind sehr viel geringer als hierzulande und „Heute bestellt, morgen geliefert“ funktioniert nicht. Das führt uns – aber auch die weiteren, kleineren Tierschutzvereine und privaten Initiativen – schnell an unsere Limits. Zudem wird es schwierig, all die notwendigen anderen Dinge wie Medizin und Einmalartikel um zu kastrieren und zu operieren täglich präsent zu haben.

Wie können Tierfreunde, die noch die Mittel dazu haben, Tierhilfe Hoffnung momentan am besten helfen?

Da muss ich ganz ehrlich sagen, dass gerade in dieser besonderen Situation jede Geldspende wirklich ein unfassbarer Segen ist. Mit einem Euro können zwei Kilogramm Futter gekauft werden. Und mit zwei Kilo Futter wird ein Hund vier Tage lang satt. So nüchtern und wenig elegant das klingt, sind Geldspenden momentan das wichtigste, um alles aufrechtzuerhalten. Wer keine Geldspende machen kann, verständlicherweise, oder auch nicht möchte, der kann auch direkt Futter spenden. Sie kommt nach wie vor an, aber auf einem deutlich komplizierteren – und auch teureren – Transportweg.

Hundewelpe aus Rumänien

Ein Team von fast 100 Menschen kümmert sich in der Smeura um die Hunde. Wie schützen Sie die Mitarbeiter?

Wir haben den großen Vorteil, dass die Arbeit zu 95 Prozent an der frischen Luft stattfindet. Und das Tierheim liegt sehr abgeschottet mitten im Wald. Wir schützen unsere Mitarbeiter, indem wir sie aufklären, ihnen Desinfektionsmittel, Handschuhe und mittlerweile auch Mundschutz zur Verfügung stellen. Die Mitarbeiterbesprechungen finden egal bei welchem Wetter jetzt nur noch im Freien statt. Das ist auch wichtig, weil die Mehrzahl unserer Mitarbeiter aus dem ländlichen Raum kommt. Sie leben oft in generationsübergreifenden Familienverbünden mit den Eltern zusammen.

Das Corona-Virus kann nach jetzigem Wissensstand nicht von Haustieren auf Menschen übertragen werden. Viele Menschen sind dennoch unsicher, einige haben ihre Tiere sogar ausgesetzt oder wollen sie abgeben. Ist das in Rumänien ein Thema?

Der gefühlte Eindruck und das, was innerhalb der vergangenen 14 Tage bei uns ankam, zeigen, dass es hier in Deutschland bezüglich der Sorge vor Ansteckung und Übertragung des Virus etwas schlimmer ist als in Rumänien. Tatsächlich gibt es viele Deutsche, die bei Tierheimen und Organisationen wie dem Deutschen Tierschutzbund oder Peta mit akuter Sorge nachfragen: „Ist das Coronavirus auch ansteckend für Tiere? Können Haustiere die Wirte oder Überträger sein?“ Das ist in Rumänien momentan noch kaum der Fall. Hunde werden ausgesetzt und abgegeben, aber zumindest gerade noch nicht häufiger als vor Corona. [Anm. der Redaktion: Alle wichtigen Infos für Hundehalter in der Corona-Krise haben wir hier für euch.]

Wenn ihr helfen könnt und möchtet, kommt ihr hier auf die Website von Tierhilfe Hoffnung. Natürlich freuen sich auch alle anderen Tierschutz-Organisationen – ob groß oder klein – über jede noch so kleine Unterstützung, vor allem in diesen schwierigen Zeiten!

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In Ausgabe 6/20 von DER HUND, die am 29. April erscheint, erzählt Matthias Schmidt, wie die Versorgung von 6.000 Hunden klappt, wie die Gruppenhaltung in der Smeura funktioniert, wie entschieden wird, welche Hunde zur Vermittlung nach Deutschland, in die Schweiz und nach Österreich kommen, und mehr!