Der 28. September ist „Welttollwuttag“. Deutschland und Österreich gelten als frei von der terrestrischen Tollwut, leider ist das aber noch nicht überall so. Der Tag soll Aufmerksamkeit auf den Kampf gegen die fast immer tödlich verlaufende Krankheit lenken. Verschiedene Tierschutzorganisationen sind darin involviert, darunter die Welttierschutzgesellschaft (WTG) aus Berlin. Christoph May erzählt im Interview mehr!

Foto: Max Gödecke

Christoph, in welchen Gegenden der Welt grassiert die Tollwut?

Das Virus ist auf allen Kontinenten weiterhin verbreitet. Das Tollwut-Problem betrifft dabei nicht nur Entwicklungsländer in Asien und Afrika. Auch in den Vereinigten Staaten und einigen europäischen Ländern außerhalb der EU ist das Virus noch immer präsent. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich etwa 59.000 Menschen an Tollwut. Die Zahl wird allerdings bereits seit vielen Jahren genannt und die Genauigkeit ist schwer einzuschätzen. Fest steht aber, dass die Tollwut insbesondere in Afrika und Asien eine sehr reale Alltagsgefahr ist und zu viel Leid bei Menschen wie Tieren führt.

Welche Menschen sind betroffen und warum spielen Hunde eine Schlüsselrolle bei der Übertragung – und Bekämpfung?

Besonders ist die ländliche Bevölkerung betroffen, darunter vor allem Kinder. Das hat den Grund, dass diese oft in täglichem Kontakt zu Streunern stehen. Meist handelt es sich dabei um Hunde, die zwar eine:n Halter:in haben, sich aber über weite Teile des Tages frei in der Umgebung bewegen können. Ein weiteres Problem ist, dass es den Menschen oftmals am Wissen im Umgang mit den Hunden fehlt, sie z. B. deren Körpersprache nicht richtig deuten und Warnsignale in der Folge ignorieren, was zu Bissvorfällen führen kann.

Hunde sind im Kampf gegen die Tollwut besonders wichtig. Zum einen gibt es weltweit Millionen Hunde – also auch Millionen potenzieller Wirte des Erregers, die in großer Nähe und Vertrautheit zum Menschen leben und das Virus – in der Regel durch Bisse – übertragen können. Wo es außerdem viele Streuner gibt, stellen diese eine Brücke zu anderen, wilden Säugetieren dar, unter denen das Virus zirkuliert und von denen es in die Hundepopulationen eingeschleppt werden kann. Es muss also gelingen, Hunde vor einer Ansteckung mit der Tollwut zu schützen. Dann ist bereits ein großer Schritt im Anti-Tollwut-Einsatz getan.

Könnte die Tollwut auch wieder zu uns kommen?

Deutschland ist seit 2008 offiziell tollwutfrei, ebenso wie alle anderen EU-Staaten auf dem europäischen Kontinent. Das bedeutet insbesondere für Länder in der Mitte Europas einen guten Schutzschirm. Aber natürlich kann das Virus erneut eingeschleppt werden. Wir erleben immer wieder Fälle, vor allem bei Hundewelpen, die aus dem Nicht-EU-Gebiet illegal nach Deutschland gebracht werden. Diese Tiere stellen ein potenzielles Risiko für andere Hunde – und Menschen – dar. Eine gesetzliche Pflicht für eine Tollwutimpfung gibt es in Deutschland seit 2021 nämlich nicht mehr. Nur bei Auslandsreisen auch innerhalb der EU muss ein Nachweis über die Tollwutimpfung im Impfpass bei Hunden vorgelegt werden.

Außerdem ist zu bedenken, dass die Tollwut streng genommen nie wirklich weg war. Denn ein weiterer potenzieller Überträger sind hierzulande Fledermäuse, deren Tollwutviren sich aber von denen der Hunde unterscheiden. Generell geht von der Fledermaustollwut zwar die gleiche Gefahr für Mensch und Tier aus wie von der klassischen Tollwut, eine Übertragung von Fledermaustollwut ist jedoch in Europa bisher nur sehr selten aufgetreten.

Wie lässt sich die Tollwut bekämpfen, welche Rolle spielt ihr dabei und wo unterstützt ihr Aktionen?

Damit die Zahl der tollwutfreien Länder weiter wächst, gilt es insbesondere Hunde durch Impfungen vor der Ansteckung zu schützen. Das bewahrt die Tiere vor einem grausamen Tod, verhindert weitere Ansteckungen innerhalb der Hundepopulationen und beugt letztlich auch Übertragungen auf den Menschen vor.

Foto: George Oosthuizen

Aus diesen Gründen sind Maßnahmen zur Eindämmung der Tollwut ein fester Bestandteil der Streunerprojekte der Welttierschutzgesellschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern. Ganz zentral sind dabei gezielte Impfungen von streunenden Tieren, aber auch die Informationsarbeit in der Bevölkerung. Wir erläutern den Menschen die Gefahren der Tollwut und den richtigen Umgang mit streunenden Tieren.

Einer dieser Einsätze findet in der Ostkap-Provinz in Südafrika statt. Es handelt sich dabei um eine der ärmsten Regionen Südafrikas mit wenigen Bildungsangeboten und kaum Wissen im Umgang mit der Tollwut. Seit rund 2 Jahren gibt es dort einen großen Ausbruch neuer Tollwutfälle bei Hunden. Aufgrund der hohen Tollwutgefahr haben wir dort seit Beginn unseres Einsatzes Mitte 2021 fast 20.000 Hunde und Katzen im Rahmen von mobilen Kliniken geimpft und noch mehr Menschen über die Gefahren der Tollwut informiert. Den Erfolg dieser Maßnahmen können wir nun eindeutig beobachten. Während in anderen Gebieten der Provinz weiterhin hohe Tollwutzahlen bei Hunden gemeldet wurden, beschränkten sich die Ansteckungen in unserem Projektgebiet auf ein Minimum.

Weitere Einsätze der Welttierschutzgesellschaft im Kampf gegen die Tollwut finden aktuell in Malawi, Thailand und Syrien statt.

Seit 2018 gibt es den Plan „Zero by 30“, unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welttiergesundheitsorganisation (WOAH). Was ist das – und stehen die Chancen gut, dass er klappt?

Ziel dieses Plans ist es, dass ab 2030 kein Mensch mehr an den Folgen von Tollwut sterben soll. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Tollwut bei Hunden eingedämmt ist. Doch leider stehen die Chancen dafür sehr schlecht – und das hat gleich mehrere Gründe. Um Tollwutansteckungen nachhaltig zu verhindern, müssen Wissen und aufwendige Strukturen aufgebaut werden. Es bedarf klarer Zuständigkeiten auf Seiten der Behörden, einer genauen Beobachtung und Nachverfolgung neuer Fälle sowie Mitteln für flächendeckende Impfaktionen, denn im globalen Maßstab können das nicht allein die NGOs leisten. Außerdem ist auch eine Infrastruktur in den Ländern notwendig: Es muss ausreichend Labore geben, die mögliche Tollwutfälle zügig analysieren können und natürlich auch funktionierende Kühlketten, um Tollwutimpfstoffe in der Fläche zu verteilen. Letzteres ist insbesondere bei unserem Einsatz in der syrischen Region Idlib eine große Herausforderung.

Viele Länder stehen noch am Anfang ihrer Bemühungen, diese Strukturen aufzubauen, mit denen die Tollwut flächendeckend besiegt werden kann. Die Arbeit von Tierschutzorganisationen zeigt aber, dass es möglich ist, die Tollwut einzudämmen. Das sollte Hoffnung stiften, dass der Kampf gegen die Tollwut trotz der Rückschläge der vergangenen Jahre auch im Zuge der Corona-Pandemie, wo Maßnahmen ausgesetzt wurden, gewonnen werden kann. Aber wir werden einen längeren Atem benötigen – bis 2030 werden wir die Tollwut leider noch nicht vollständig eingedämmt haben.

Wie können Menschen den Kampf gegen die Tollwut am besten unterstützen?

Der Einsatz gegen die Tollwut beginnt bereits beim eigenen Tier. Wer einen Hund kaufen möchte, sollte sich nur an seriöse Anbieter wenden. Diese müssen über den EU-Heimtierausweis glaubwürdig belegen können, dass das Tier, falls es aus einem Tollwut-Risikogebiet stammt, vor Einreise geimpft wurde. Bei jungen Welpen sollte besondere Vorsicht gelten, denn diese können noch gar nicht gegen Tollwut geimpft sein. Das ist erst nach 12 Lebenswochen möglich. Die Gefahr beim Kauf eines Hundes ist nicht zu unterschätzen, denn durch den illegalen Welpenhandel kommen immer wieder ungeimpfte Hunde aus Risikoländern auch nach Deutschland. Wer solche illegalen Angebote beispielsweise auf Online-Plattformen entdeckt, sollte auch die Veterinärbehörden informieren. Das ist eine wertvolle Unterstützung nicht nur gegen die Verbreitung der Tollwut, sondern für den Tierschutz im Allgemeinen.

Foto: George Oosthuizen

Wer in Länder verreist, die noch nicht Tollwut-frei sind, sollte vor allem im Umgang mit Streunern eine gewisse Vorsicht walten lassen und die Körpersprache von Hunden deuten können, um Warnsignale zu erkennen. Für die Einreise mit Hund ist ohnehin fast immer eine Tollwutimpfung erforderlich. Um sich unnötigen Stress zu ersparen, sollten sich Reisende frühzeitig über die Einreisebestimmungen mit Hund informieren und sich um einen Impftermin bemühen.

Einen sehr wichtigen Beitrag gegen die Tollwut stellt auch die finanzielle Unterstützung von Tierschutzorganisationen dar, die sich mit groß angelegten Projekten für eine Eindämmung der Tollwut einsetzen, zum Beispiel durch Impfaktionen und Informationsarbeit in der Bevölkerung.

Über die WTG

Die Welttierschutzgesellschaft (WTG) mit Sitz in Berlin unterstützt Tierschutzprojekte auf der ganzen Welt, insbesondere in Regionen, in denen der Schutz der Tiere aufgrund verschiedener anderer Nöte eine eher untergeordnete Rolle spielt. Das Team setzt sich mit seinen Partnern vor Ort sowohl für Haustiere als auch sogenannte Nutztiere und auch Wildtiere ein. Mehr Infos über die WTG, aktuelle Aktionen und wie du sie unterstützen kannst, findest du auf der Website https://welttierschutz.org/

Tollwut-Facts im Überblick

  • Tollwut ist eine Zoonose, also vom Tier auf den Menschen übertragbar
  • Übertragung durch den Speichel infizierter Tiere, hauptsächlich über Bisswunden
  • Sterblichkeitsrate von fast 100 % bei Mensch und Tier
  • Das Tollwutvirus gehört zu den Lyssaviren, einer Gruppe aus 12 Arten, die Enzephalitis verursachen.
  • Das klassische Tollwutvirus (RABV) ist für die Gesundheit von Mensch und Tier am relevantesten.
  • Die RABV-Varianten zirkulieren vor allem in Hunden und -katzen und, je nach Kontinent, in anderen Tieren, etwa Füchsen oder Fledermäusen.
  • eine Impfung ist möglich, für Hunde wie für Menschen

Die klinischen Anzeichen …

… variieren je nach der Wirkung des Virus auf das Gehirn. Klassisch sind plötzliche Verhaltensänderungen: Tiere, insbesondere wilde, können ihre Scheu verlieren. Im weiteren Verlauf kommt es zu Funktionsstörungen des Gehirns und der Hirnnerven, Ataxie (fehlende Muskelkontrolle oder Koordination willkürlicher Bewegungen), Schwäche, fortschreitender Lähmung, Krampfanfällen, Schwierigkeiten beim Atmen und Schlucken sowie übermäßiger Speichelfluss. Aggressive Verhaltensweisen und Selbstverstümmelung sind ebenfalls zu beobachten. Manchmal sind die Verhaltensänderungen jedoch minimal. Das Tier kann schnell sterben, ohne auffällige Symptome gezeigt zu haben.

Quelle: WHOA