Angekaute Türen, genervte Nachbarn und ein komplett gestresster Hund – Trennungsstress ist eine der häufigsten und problematischsten Verhaltensauffälligkeiten unserer Vierbeiner. Aber wie entsteht er und warum leiden so viele Hunde daran? 

Trennungsstress liegt in der Natur unserer Vierbeiner.  Diese sind – wie auch wir Menschen – hochsoziale Wesen. Sie brauchen die Gemeinschaft für ihr seelisches Gleichgewicht und zum Überleben. Für den Haushund kann dieser Sozialpartner entweder ein Artgenosse oder eben der Mensch sein. Faszinierend dabei ist, dass der Hund den Menschen tatsächlich als vollwertigen Sozialpartner anerkennt. Laut Forschungen wählen einige Hunde sogar lieber den Menschen anstelle eines anderen Hundes.

An den Menschen gebunden

Der Vorfahre unserer heutigen Hunde ist der Wolf. Ob der Mensch diesen anfangs zur Jagd, als Aufpasser, zum Wärmen oder als Transporthelfer genutzt hat, ist unklar. Sicher ist aber, dass ein gegenseitiger Nutzen entstand, denn auch der Wolf profitierte von der Nähe des Menschen, indem er Futter bekam. Zahme Tiere paarten sich und die Domestikation begann. Je nach Bedarf wurden Rassen mit unterschiedlichen Merkmalen gezüchtet. Ob als Jagdbegleiter, Schafhüter oder einfach zur Gesellschaft – jede Rasse dient uns auf irgendeine Art und Weise. Der Hund ist also ein Produkt des Menschen. Hunde binden sich eng an ihre Menschen und verstehen es nicht, wenn wir sie alleine lassen. 

Kein Mensch da? Gefährlich!

Fehlt der Mensch als Sicherheit, ist das für den Hund nicht nur nicht logisch, sondern sogar biologisch gefährlich. Ohne die gemeinschaftliche Stärke der Gruppe ist man für potenzielle Feinde angreifbarer. So versucht der Hund oft zunächst durch Lautäußerungen (Bellen und Jaulen), den Menschen zurückzuholen. Dieses Verhalten ist eine angeborene Überlebensstrategie. Im frühen Welpenalter nutzen Hunde ein lautes Fiepen, um die Mutter auf sich aufmerksam zu machen. Lautäußerungen sind zunächst ihre einzige Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Hilft das nichts, sucht der Welpe und Junghund nach einer Lösung für den Stress, der durch die fehlende Nähe zum Muttertier oder Menschen entsteht. Das Zerstören von Gegenständen und sich Lösen in der Wohnung ist dann häufig dem Frust geschuldet, dass der Mensch nicht zurückkommt.

Stilles Leid –> Trennungsstress bleibt unbemerkt

Viele Hunde leiden allerdings auch still und leise. Das sind die Fälle, bei denen Trennungsstress meist unbemerkt bleibt. Die Hunde hecheln vielleicht mehr als andere, finden keine Ruhe oder verfallen in Stereotypien wie Schwanz-Jagen oder übermäßiges Schlecken bis hin zur Selbstverstümmelung. Auch komplette Lethargie kommt vor. Wird der Hund trotzdem immer wieder alleine gelassen, sorgt das für chronischen Stress und führt zwangsläufig zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Zerstörte Sofakissen hin oder her – jeder Trennungsstress muss behandelt oder im besten Fall von vornherein verhindert werden.

Es beginnt bereits bei der Auswahl des Züchters/der Züchterin. Ist eines der Elterntiere ängstlich und wenig stressresistent, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es diese Eigenschaft auch an die Welpen weitergibt. Vor allem das Wesen der Mutterhündin und ihr Umfeld sind entscheidend. Ängstlichen und wenig stressresistenten Hunden werden Trennungen schwer fallen.

Einzug ins neue Zuhause: erster Trennungsstress

Kommt der Welpe ins neue Zuhause, wird er das erste Mal mit Trennungsstress konfrontiert. Wir nehmen ihn aus seinem gewohnten Umfeld heraus, wichtige Sozialpartner fehlen. Der Umzug sollte daher möglichst aufregungslos stattfinden, damit sich der Hund im neuen Heim in Ruhe neue Sicherheitsreize schaffen kann. Das kann etwa ein Spielzeug oder eine Decke sein, aber auch Personen können dem Hund Sicherheit geben.

Sobald sich der Welpe in seiner neuen Umgebung wohlfühlt, solltest du ihm bereits in sehr kurzen Einheiten das Alleinebleiben näherbringen. Er muss Schritt für Schritt lernen, dass mit dem Weggang des Menschen keine Gefahr droht und er entspannt bleiben kann. Der Mensch kommt schließlich immer wieder zurück.

Sich ausreichend Zeit zu nehmen, um den Hund langsam und schrittweise daran zu gewöhnen, mehrere Stunden alleine zu bleiben, ist entscheidend für ein möglichst trennungsstressfreies Zusammenleben. So kannst du beruhigt aus dem Haus gehen und ihr freut euch aufs Wiedersehen.

Wer bemerkt, dass sein Hund unter Trennungsstress leidet, sollte sich Hilfe holen. Wie du einem Hund hilfst und mit der Situation umgehen lernst, erfährst du in unserem Kurs „Hilfe, mein Hund kann nicht alleine bleiben!“ mit Erklär- und Trainingsvideos auf unserer Partnerseite der Tierakademie.

Redaktion: Veronika Rothe, Lena Schwarz