Spaziergänger dürfen sich wehren, wenn unangeleinte Hunde auf sie zukommen – und zwar ohne vorherige Verhaltensanalyse. Das hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden.

Ein sonniger Tag, alles drängt nach draußen. In den Parks, Grünanlagen und Wäldern treffen Hundehalter mit ihren Vierbeiner auf Spaziergänger allen Alters. Bei einigen davon verursachen unangeleinte Hunde Angst oder Unwohlsein. Vor allem dann, wenn die Tiere sich direkt und unvermittelt nähern.

Das bedeutet das Urteil für Hundehalter

Das Oberlandesgericht Koblenz hat dazu am 18. Oktober 2018 ein interessantes und durchaus weitreichendes Urteil getroffen:

Nähert sich ein Hund, der nicht angeleint ist und den der Halter nicht (mehr) unter Kontrolle zu haben scheint, so dürfen dessen „Zielpersonen“ sich gegen das Tier wehren.

Auf den beliebten Satz „Der will nur spielen“ auszuweichen, hilft Hund und Halter nicht aus der Bredouille.

Scheint der Hund noch so verspielt und ist er auch noch so harmlos, das Gerichtsurteil ist eindeutig: Fühlen Spaziergänger sich durch ein herannahendes Tier ohne Leine bedroht, müssen sie dessen Verhalten nicht analysieren. Dies begründet das Oberlandesgericht Koblenz mit der Unberechenbarkeit tierischer Verhaltensweisen. Es schließt sich so dem vorinstanzlichen Urteil des Landgerichts Mainz an. Außerdem könne unbeteiligten Passanten nicht zugemutet werden, das Verhalten des Hundes und dessen mögliche Gefährlichkeit zu interpretieren.

Was war geschehen?

Im verhandelten Fall waren ein Jogger mit angeleinter Hündin und ein Ehepaar mit ihrem nicht angeleinten Hund im Wald aufeinander getroffen. Letzterer verschwand aus dem Blickfeld seiner Halter und rannte auf den Jogger zu. Der forderte das Paar auf, den Hund zurückzurufen. Dieser reagierte jedoch nicht auf die Zurufe. Der Jogger und spätere Kläger versuchte in der Zwischenzeit, den unangeleinten Hund mit einem Ast von sich fernzuhalten. Dabei rutschte er aus und riss sich die Kniesehne. Er musste operiert werden. Der Jogger klagte und forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das beklagte Ehepaar wiederum wehrte sich zweimal gegen die Klage. Ihr Hund habe lediglich mit der Hündin spielen wollen und sich in keiner Weise aggressiv gezeigt. Sie bezeichneten die Abwehrversuche mit dem Stock als unnötig. Sie sprachen zudem davon, dass der Kläger eine Mitschuld an der Verletzung und dem entstandenen Schaden trage. Die Richter des Landgerichts Mainz und des Oberlandesgerichts Koblenz sehen das anders.

Die Begründung der Richter

Ein wichtiger Knackpunkt bei der Begründung des Urteils: In dem Gebiet, in dem die drei Hundehalter und ihre beiden Tiere aufeinander trafen, besteht nach der örtlichen Gefahrenabwehrverordnung Leinenpflicht, wenn sich andere Personen nähern. Das bedeutet: Außerhalb bebauter Ortschaften müssen Hundehalter ihre Tiere ohne Aufforderung anleinen, wenn weitere Passanten näherkommen. Der Beklagte verstieß gegen die örtliche Gefahrenabwehrverordnung und haftet nun in vollem Umfang für die Schäden.

Was heißt das für andere Hundehalter? Sobald der Hund aus dem eigenen Blickfeld verschwindet, ist Vorsicht geboten: Schnell zurückrufen und anleinen, sobald sich weitere Passanten nähern. Vorsicht ist im Zweifelsfall eben doch oft besser. Und schützt vor Rechtsstreitigkeiten oder Verletzungen – bei Hund und Mensch.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz