Stirbt ein Mensch, rüttelt sein Tod in uns die uralten Fragen wieder auf: Was geschieht mit seiner Seele? Gibt es ein Jenseits? Sehen wir ihn jemals wieder? Stirbt unser Hund, geht es uns nicht anders. Doch wir stellen die Fragen ein klein wenig verschämter.

Religionen bieten Antworten, von denen wir nicht wissen, ob wir sie annehmen können und wollen. Stattdessen horchen wir in uns – was denken, fühlen, glauben wir? Die meisten Religionen, die uns die Existenz der menschlichen Seele predigen, haben keinen Platz für Hunde. Und die Wissenschaft, die sich auch mit der Frage befasst, was eine Seele denn sein könnte, ebenso nicht.

Hunde-Seele heute und früher

Die Seele des Menschen ist seine Essenz, der Teil an ihm, der nicht vergeht, wenn er stirbt – so lautet die gängige Vorstellung. Der Standpunkt der katholischen Kirche, in unseren Breiten traditionell die große Autorität in Fragen der Seele und Unsterblichkeit, ist klar: Der Mensch hat eine unsterbliche Seele, das Tier nicht. Wenn es stirbt, bleibt nichts von ihm übrig.

Doch lange, bevor die katholische Kirche überhaupt zu existieren begann, sahen andere Kulturen das völlig anders. Die meisten der vorchristlichen Kulturen sprachen Hunden nicht nur eine unsterbliche Seele zu, sondern verknüpften in ihren Mythen und religiösen Vorstellungen sogar das Wesen der Hunde ausdrücklich mit dem Jenseits und der Welt der Götter.

Die alten heidnischen Götter liebten die Gesellschaft von Hunden – insbesondere die Totengötter. Im Keltentum erschien Da Derga, der Gott des Todes, immer in Begleitung seiner weißen Jagdhunde. Auch der germanische Gott Thor zog mit einer Hundemeute durch die Lande, wenn er die Seelen der Toten ins Jenseits führte. Die antiken Römer glaubten daran, dass die Seelen der Verstorbenen ihr Haus beschützten und dabei von den Seelen der Hunde unterstützt wurden.

Hunde-Seelen zwischen Diesseits und Jenseits

Hunde wurden in den alten Kulten zwar nicht selbst als Gottheiten begriffen, doch sie pflegten immer eine viel engere Verbindung zu ihnen als die Menschen – und dienten daher oft als Übermittler übernatürlicher Botschaften. Oft geleiten sie die Seelen der verstorbenen Menschen ins Jenseits. Im Hinduismus werden die 4 Sarameyas, die Hunde des Todes, ausgeschickt, um den Menschen ihren bevorstehenden Tod zu verkünden.

Die alten Perser waren überzeugt, dass man nur mit Hilfe der Seelen seiner Hunde über die Brücke zum Paradies kommt. Bei den Germanen wachte der Hund Garm über das Totenreich, die Griechen wurden nach ihrem Tod freundlich vom Hund Cerberos begrüßt. In manchen Indianerstämmen war es üblich, die Hunde eines Mannes zu töten, wenn er im Sterben lag, damit sie vor ihm im Jenseits ankommen und ihn begrüßen konnten.

Die Totengötter, die dafür verantwortlich waren, dass die Seelen der Menschen unbeschadet ins Jenseits gelangen, zeigten sich oft in Hundegestalt. Xotl, der Totengott der Azteken, zeigte sich als Hund, und auch der berühmte altägyptische Anubis hatte die Gestalt eines Schakals oder Windhundes.

Paradies? Nicht ohne meinen Hund!

Wie könnte man auch ohne Hund im Jenseits glücklich sein, fragen wir uns. Dasselbe fragte sich schon zweieinhalb Jahrtausende vor uns der mächtige König Yudischthirta, eine Figur des berühmten indischen Sanskrit-Epos Mahabharata. Nach seinem Tod empfing ihn der König der Götter persönlich an der Pforte zum Paradies. Er lobte Yudischthirtas Taten sehr und bot ihm das höchste Paradies mit all seinen Schätzen an.

Die Bedingung sei jedoch, dass er seinen Hund zurücklassen müsse, denn für ihn würde es dort keinen Platz geben. Doch Yudischthirta wollte sich nicht von seinem Hund trennen. Obgleich der König der Götter Yudischthirta immer wieder bedrängte, blieb der König der Menschen stur. Er entschied sich gegen das Paradies und für seinen Hund. Seine Standhaftigkeit wurde belohnt: Sein treuer Hund war in Wahrheit niemand anderes als der indische Gott der Rechtschaffenheit.

Hunde-Seele: Für Buddhisten selbstverständlich

Haben Hunde eine Seele? Der kirchenkritische Theologe Eugen Drewermann meint lakonisch, wer diese Frage stelle, müsse selbst offenbar keine haben. Und Martin Luther bejahte diese Frage polternd mit: “Ja, glaubst Du denn, das Reich Gottes ist eine Wüste?!” Auch im Buddhismus würde eine solche Frage mitleidig belächelt, jedoch nicht, weil man voraussetzt, dass die Seele dem Menschen vorbehalten ist, sondern im Gegenteil, weil dort jedem Lebewesen eine unsterbliche, immer wiederkehrende Seele zugesprochen wird.

Warum also sollten wir uns schämen, nach der Seele unseres Hundes zu fragen? Danach zu fragen, ob wir je wieder mit unserem Hund vereint sein werden? Antworten kann es für uns nicht geben. Doch wer seinem Hund tief in die seelenvollen, zuversichtlichen Augen sieht, kann es vielleicht ahnen. (je)