Wenn die Lebenssituation sich ändert, plötzlich die Arbeitszeit steigt oder eine Betreuungsperson wegfällt oder erkrankt, stehen viele vor der Frage: Was tun mit dem Hund? Unsere Reportage aus Mainz zeigt, wie ein soziales Projekt hier Hundetraum Hilfe schaffen kann.

Nur wenige Minuten vom Mainzer Hauptbahnhof bergauf  laufend liegt das Gebäude der Diakonie, in dem das Büro der Hundetraumgänger angesiedelt ist. Ich bin mit Tanja Scherer dort verabredet, die das karitative Projekt ins Leben gerufen hat und leitet. Sie betreut bei Mission Leben hauptamtlich Obdachlose und Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus dem Berufsalltag herausgefallen sind. Sie versucht, diese sowohl im alltäglichen Leben als auch bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen. Wie das soziale Projekt sowohl den Wiedereinstieg in ein Berufsleben fördert als auch Hundehaltern neue Perspektiven und Blickwinkel öffnet, erfahre ich dort direkt von ihr selbst.

Vom Bürojob zur Gassivermittlung

Es ist gerade offener Mittagstisch, für den in der im Keller gelegenen Küche der Diakonie gekocht wird. Wir gehen durch den Raum, in dem die Speisenausgabe erfolgt, auf den Hof. Vor dem Eingang im Hinterhof treffen wir auf einige Gäste, die Tanja Scherer freundlich und vertraut begrüßt. Es sind zum Teil Menschen ohne festen Wohnsitz, die auch von ihr betreut werden. Einer hat seinen Hund dabei, etwas, das Tanja Scherer selber kennt. Denn jahrelang hat ihre eigene Hündin Paro sie den ganzen Tag über begleitet – auch auf die Arbeit. Aus dieser Zeit stammt auch die Idee für ihr Projekt, das sie im Rahmen ihrer Tätigkeit vor vier Jahren anging.

Nicht überall hin konnte Tanja Scherer Paro mitnehmen. Im Büro war es kein Problem, die Hündin war sogar hilfreich bei ihrer Arbeit: Die umgängliche Hündin schaffte bei vielen der oft jahrelang beschäftigungslosen Menschen die Vertrauensbasis für offene Gespräche. Die Hündin bei Besprechungen oder Terminen außer Haus mitzunehmen, war jedoch nicht immer möglich. Tanja suchte nach einer Lösung, von der sie beide etwas haben sollten: Paro mehr als nur stundenlanges Warten auf ihre Rückkehr und sie ein besseres Gewissen.

Wenn ihre Betreuten so offen und freundlich gesinnt gegenüber der Hündin waren, warum dann nicht einmal ausprobieren, ob sie mit dem Hund in der Zeit Gassi gehen und sich beschäftigen würden? Statt Paro alleine im Büro zu lassen, fragte Tanja also einen, den sie aus den häufigeren Kontakten schon als Hundefreund kannte, ob er sich das vorstellen könne. Für viele, die sie so ansprach, war das mehr als nur eine angenehme Abwechslung. Sie freuten sich nicht nur über das Vertrauen, sondern empfanden es als eine Chance, der Mitarbeiterin, die sich sehr für sie engagierte, etwas zurückgeben zu können.

Geben und Nehmen

Und so fing das Projekt Hundetraum an, Gestalt zu entwickeln. Warum nicht aus gelegentlichem Helfen der Wohnungs- und häufig auch Arbeitslosen eine Beschäftigung machen, die beiden Seiten hilft? Etwas, das Hundehalter und sozial Benachteiligte miteinander in Kontakt bringt und zugleich beiden nutzt? Als Tanja im Oktober 2016 das Projekt unterstützt von Mission Leben startete, ging sie auf die Suche nach ehemals Wohnsitzlosen, die nun eine stundenweise Beschäftigung als Hundeausgeher bekommen sollten. Bevor sie jedoch mit den Tieren spazieren gehen konnten, organisierte Tanja mit einer befreundeten Tierärztin einen „Erste Hilfe am Hund“-Kurs und zudem einige Trainingseinheiten mit einer Hundetrainerin.

Im Februar 2017 war es dann soweit, dass die drei Gassigeher, mit Hilfe und Mitfinanzierung durch das Job Center, als Angestellte der Mission Leben ihre Hundetraumgänge fortführen konnten. Die Hundehalter, die zum Teil seit Anfang an mit dabei sind, zahlen so für die Einzelhundebetreuung einen sehr moderaten Preis.

Jetzt, 2020, hat das Hundeausgeh-Team komplett gewechselt, seit März 2019 sind nach und nach drei neue Mitarbeiter im Projekt eingestiegen, zwei Männer und eine Frau. Mit einem sind wir verabredet zum – natürlich – Gassigehen. Wie sich der Spaziergang mit Profi_gassigeher gestaltete und der Alltag in Mainz für die Hundetraumgänger aussieht, lest ihr in der ausführlichen Reportage in Ausgabe 4/2020 von DER HUND.